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111 Jahren starb Eduard Glaser
Der österreichische Orientalist Eduard Glaser ist kaum bekannt, weder von einem breiten Publikum noch in der wissenschaftlichen Welt. Nur wenigen Orientalisten ist dieser Name ein Begriff. Eduard Glaser hat auf der arabischen Halbinsel geforscht ist aber keineswegs mit Carsten Niebuhr oder Wilfried Thesinger vergleichbar. Vielleicht liegt es daran, dass sein Leben abseits der Wissenschaft noch rätselhaft ist. Wer war also Eduard Glaser, dessen innigster Wunsch seit Kindheitstagen war ein Wissenschaftler zu werden? Woher kam er? Woher kam seine Faszination für Arabien? Wie hat er sich auf ein Forscherleben vorbereitet? Wie hat er seine Forschungen finanziert? Leider ist es noch heute sehr schwierig Glasers Leben zu rekonstruieren, besonders seine Kindheit und Jugend.
Geburt
In den verschiedenen Quellen und auch in den wenigen Zeilen im Internet steht geschrieben, dass Eduard Glaser am 15. März 1855 in Deutsch-Rust in Böhmen, der heutigen Tschechischen Republik, geboren wurde. Walter Dostal, ein österreichischer Ethnologe auf dem Jemen spezialisiert, hat Glasers Leben erforscht und ermöglicht so einen vollständigeren Einblick in seine Persönlichkeit[1]. Er versuchte die Geburtsurkunde zu finden und entdeckte 1987 in Archiven, dass ein Eduard Glaser am 2. März 1852 in Pomeisl geboren wurde. Sein Vater war ein Wanderhändler und betrieb einen Bauernhof. Wer weiß wie und vor allem wann die Nachricht über Eduards Geburt aufgeschrieben wurde. Es wird angenommen, dass alle vier Kinder am Hof halfen. Eduards Vater, der mit seiner Lage unzufrieden war, ermutigte seine Söhne eine höhere Ausbildung anzustreben. Und so ging Eduard in die Volksschule und zur Unterrealschule. Seine Herkunft aus einem ärmlichen Elternhaus war im Laufe seines Lebens eine große Last besonders bei der Finanzierung seines Studiums oder seiner Reisen. Er musste hart arbeiten, da er kaum finanzielle Unterstützungen bekam.
Jugend
Mit ca. 16 Jahren zog Eduard nach Prag, wo sein Bruder Sigmund Medizin studierte und nahm somit sein Schicksal selbst in die Hand. Es scheint, als ob Glaser ein sehr guter Schüler mit Fernweh war, da er nebenbei Italienisch, Englisch und Spanisch studierte. Er war sehr wissbegierig. In dieser Zeit wurde er Dank der Vermittlung seines Klassenvorstandes, Hauslehrer in einem adeligen Haushalt. Mit diesen Einnahmen konnte er ab und zu in ein Kaffeehaus gehen. Dort las er die Zeitschrift „Das Ausland“. Besonders die Berichte von und über Livingstones Expeditionen nach und in Afrika faszinierten und trieben ihn an selber zu forschen und Wissenschaftler zu werden. Er behielt sein Ziel stets vor Augen bis zu seiner Erfüllung unabhängig von seiner zukünftigen finanziellen Lage. Er begann sich dem Studium der Arabischen Sprache zu widmen. Er schloss in Prag sein Studium in der Oberrealschule ab. Daraufhin besuchte er das Polythechnikum und studierte Mathematik, Physik und Geodäsie. Privat lernte er fleißig Arabisch weiter. Glaser, mit der Zeit knapp 20 Jahre alt, muss ein außerordentlich wissbegieriger Schüler gewesen sein, da einer seiner Lehrer ihn für den II. Internationalen Geographenkongress 1875 in Paris nominierte. Er scheute keine Mühen und so wanderte er nach Paris, wo er französische Wissenschaftler kennenlernte. Diese Kontakte erwiesen sich in der Beschaffung von Geldern für seine erste Reise in den Jemen als sehr nützlich. Dennoch lehnte er Einladungen an Expeditionen teilzunehmen, wegen der Bedenken seiner Eltern, noch ab. Zurück in Prag schloss er die Schule ab und absolvierte seinen Militärdienst 1876. Nur ein Jahr später begann er mit dem Studium der Astronomie und der Arabistik an der Universität Wien. 1879 konnte er eine Assistentenstelle an der Sternwarte in Wien-Währing antreten. Die bezahlte Arbeit ermöglichte ihm eine Zeitlang zu überleben. Immer wieder bekam er Einladungen an Expeditionen nach Afrika teilzunehmen, doch sein Herz schlug für Arabien und somit weigerte er sich mitzufahren. Sein innigster Wunsch war es Arabien zu bereisen. Woher seine Faszination für Arabien kam, kann nur vermutet werden: Einerseits durch seine semitischen Wurzel, andererseits haben ihn Schilderungen im Alten Testament (1. Buch Könige, Kap. 10) bewogen, sich auf die Suche nach Marib, der Hauptstadt des Sagen umworbenen Saba, zu begeben.
David Heinrich Müller
Mit 24 Jahren lernte er David Heinrich Müller, den Gründer der Südarabienforschung in Österreich, kennen. Diese Begegnung veränderte komplett sein Leben. Müller begeisterte und führte Glaser ins Studium des neuen Faches „Sabäistik“ ein. Er war somit einen großen Schritt seinen Zielen und Sehnsüchten nach Arabien näher gekommen. Doch sein Verhältnis zu Müller sollte schon bald negativ gekennzeichnet sein. Und die Auseinandersetzungen zwischen Müller und ihm werden sein Leben und seine Forschungen stark beeinflussen. Der Konflikt zwischen diesen zwei Größen in der österreichischen Südarabienforschung am Ende des 19. Jhs. wird offen ausgetragen. Beide publizieren ihre Ergebnisse indem sie den Gegner kritisieren. Diese Kontroverse regierte Glasers Leben ab seiner ersten Reise in die arabische Welt und verhinderte teilweise seine mögliche wissenschaftliche Kariere.
Kaum hatte Glaser das Studium Südarabiens begonnen, wollte er nach Arabien verreisen, um seine Kenntnisse in der arabischen Sprache und den orientalischen Sitten zu vertiefen. Aus diesem Grund kündigte er seine sichere Stelle an der Sternwarte und reiste 1880 nach Tunis, wo er als Hauslehrer beim österreichischen Generalkonsul (Dr. v. Theodorovich) tätig wurde und somit wieder sein Leben finanzieren konnte. Sehr schnell wurde er der arabischen Sprache mächtig und arbeitet sogar als Dolmetscher und Korrespondent der „Allgemein Zeitungen“. 1882 reiste er weiter nach Ägypten, wo er im Mai die totale Sonnenfinsternis beobachtete. Dort kam er bei seiner Arbeit im österreichisch-ungarischen Konsulat mit österreichischen Diplomaten in Kontakt, die ihm später bei der Beschaffung Forschungsgenehmigungen behilflich sein werden. Endlich konnte er am 30. September 1882 von Port Said nach Hudayda schiffen.
1. Reise
Seine 1. Reise begann also 1882 und endete 1884. Von dieser Reise brachte er 23 Arabische Manuskripte, die sich derzeit in der königlichen Bibliothek zu Berlin befinden und 267 Altsüdarabische Inschriften, die nach Paris in die Académie des Inscriptions et Belles Lettres gebracht wurden. Darüber hinaus sammelte er währende seiner Zeit in Sana viele meteorologische und ethnologische Daten. Ein umfangreiches kartographisches Material brachte er ebenfalls mit, da er seine Ausflüge akribisch aufzeichnete. All dies befindet sich ebenfalls in Paris.
2. Reise
Die Zeit von 1885 bis 1886 verbrachte er erneut im Jemen. Er sammelte 242 arabische Manuskripte und brachte 125 beschriftete Steine zurück nach Europa. Er verkaufte das sabäische Material sowie die arabischen Manuskripte an die königliche Bibliothek zu Berlin und die minäischen Inschriften nach London.
3. Reise
Dadurch konnte er im Oktober 1887 seine 3. Reise nach Südarabien finanzieren. Die Aufzeichnungen, Tagebücher und Ergebnisse dieser Reise wurden nach Glasers Tod 1913 von David Heinrich Müller und Nikolaus Rhodokanakis (einem weiteren Schüler des Begründers der Südarabienforschung in Österreich und Pionier in der Textaufbearbeitung und der altsüdarabischen Philologie) in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) publiziert. Diese Reise gilt als erfolgreichste! Glaser hat nicht nur seinen Kindheitstraum erfüllt und als erster Wissenschaftler Marib wiederentdeckt, sondern auch die meisten Inschriften und arabischen Handschriften mitgebracht (knapp 1.000 insgesamt). Des Weiteren hat er auch viele geographische Beobachtungen gemacht. Wie schon erwähnt blieb ihm eine wissenschaftliche Karriere verwehrt, sehr zu seinem Bedauern, dennoch bekam er 1890 den Ehrendoktortitel der Universität Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. In den folgenden Jahren wurde er zudem Ehrenmitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften.
4. Reise
Seine letzte Reise fand zwischen 1892 und 1894 statt. Er hat das geschafft, was keiner vor ihm erreicht hatte: er kartographierte das komplette Gebiet zwischen Hadramaut und Mekka. Somit erweiterte er sein Forschungsgebiet nach Saudi-Arabien. Darüber hinaus nahm er Sprachaufzeichnungen eines modernen Südarabischen Dialektes, die Mahra-Sprache, auf und brachte ca. 600 Kunstobjekte nach Europa. Nur diese sogenannte „Glaser-Sammlung“ befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek und hier im Haus in der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung.
Täuschung
Wie David Heinrich Müller, kam er aus einem jüdischen Elternhaus, doch Glaser selbst erwähnte seinen Glauben nie. Er gab sich während seiner ersten Reise als Moslim [und später als Faqih (= Rechtsgelehrter) Husayn bin Abdallah al-biraqi (= der Prager) aus. Dafür musste er sich durch eine beharrliche Kleinarbeit das notwendigste religiöse Wissen und die typischen Verhaltenswesen aneignen[2]. Das ist nichts außergewöhnliches, viele Europäer taten das gleiche vor und nach ihm.] Die damaligen politischen Verhältnisse boten den europäischen Reisenden wenige Möglichkeiten sich frei zu bewegen. Sie gaben sich als Einheimische (T. E. Lawrence, der sich als Türke bzw. Osmane ausgibt) oder eben als Muslime (Burckhardt gab sich als muslimischer Kaufmann unter dem Namen Sheikh Ibrahim ibn Abdullah) aus und reisten inkognito. Glaser muss dennoch engere Verbindungen zum Judaismus gehabt haben, da er in den 1890er Jahren Kontakt mit Theodor Herzl aufnahm und ihm sogar ernsthaft vorschlug einen jüdischen Staat in Südarabien zu gründen. Herzl, österreichischer Schriftsteller und Journalist, Vater des modernen politischen Zionismus und Gründer des Staates Israel, lehnte nach einer zunächst fruchtbaren Zusammenarbeit diesen Vorschlag vehement ab[3]. Mit dieser Abfuhr begann Glaser den Zionismus heftig zu kritisieren. Es ist deshalb umso erstaunlicher, dass Eduard Glaser am alten jüdischen Friedhof in München begraben wurde[4]. Er lebte seit 1896 in der Bayrischen Hauptstadt. Eduard Glaser starb an einem Asthmaanfall am 7. Mai 1908 im Alter von 53 Jahren, wenn man als Geburtsdatum den 15. März 1855 hernimmt, oder mit 56 Jahren, wenn man sich an das frühere Geburtsdatum hält. Die ständigen finanziellen Sorgen und sein sich seit 1907 verschlechternder Gesundheitszustand (zunehmende Arteriosklerose) hinderten Glaser daran, sein umfangreiches Forschungsmaterial zu publizieren. Kurz vor seinem Tod hatte er sich mit David Heinrich Müller versöhnt.
Glasers Erbe
Glasers Sammlung in der ÖAW beinhaltet 1031 Objekte: Umschriften, Tagebücher und Abklatsche. Es ist auch nennenswert, dass Glaser die Methode der „Abklatsche“ erfunden hat. Ein Abklatsch ist eine Vorgehensweise mit der meistens Steininschriften kopiert bzw. reproduziert werden. Ein Abklatsch wird hergestellt, indem ein Bogen dicken, saugfähigen Papiers auf die gereinigte Inschrift gelegt, mit Hilfe eines Schwammes angefeuchtet und mit einer Bürste festgeklopft wird. Nach dem Trocknen zeichnen sich im Papier die Buchstaben dreidimensional ab. Ein Abklatsch ist in der Regel auf der Rückseite besser lesbar als auf der Vorderseite, auch wenn dort die Schrift spiegelverkehrt ist. Anhand dieser Abdrücke in 3D konnte er schneller viele Inschriften kopieren. Das Ergebnis ist besser als Photographien aus seiner Zeit. Altsüdarabische Inschriftensteine und Abklatsche befinden sich heute hier im Haus in der Ägyptische-Orientalischen Sammlung. Glasers zahlreiche Tagebücher und andere schriftliche Aufzeichnungen werden in der österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt. In England, Frankreich und Deutschland befinden sich arabische Manuskripte, ethnographische, kartographische und meteorologische Aufzeichnungen. Glaser hat Unmengen von Daten mitgebracht und nur einen Bruchteil veröffentlicht oder bearbeitet. Noch heute befinden sich in den Lagerräumen oder Archiven unpubliziertes Material. Kurz vor seinem Tod beklagte Glaser sich über die Menge an Arbeit, die Dank seiner Forschungen im Jemen noch zu bewältigen wäre. Er publizierte viele Artikel und Bücher mit seinen neuen Erkenntnissen besonders in der Chronologie Südarabiens, doch vieles blieb unbearbeitet und unanalysiert. Da er nicht in der österreichischen oder europäischen Welt der Wissenschaft integriert war, wurden seine Arbeiten kaum beachtet und links liegen gelassen. Erst mit der Wiederentdeckung Arabiens und Südarabiens nach dem Fall des osmanischen Reiches wurde Glasers herausragende Rolle in der Südarabien – Forschung verstanden. Er war der Pionier aller Altsüdarabischen Sammlungen in Europa, die altsüdarabischen Sprachen und die Geschichte Südarabiens konnte nur Dank seinen epigraphischen und anderen Forschungen bearbeitet werden.
Derjenige, der von sich selbst sagte: „Da ich kein Gelehrter bin…“ war ein Einzelgänger und Autodidakt, ein Nicht-Akademiker, der posthum ein Heer von Wissenschaftlern beschäftigt.[5]
Ich möchte mit einem Zitat von Glaser enden: „Ich tue alles dies aus zwei Gründen: aus Dankbarkeit für die türkische Regierung und im Interesse der Wissenschaft, der ich gerne das alte Sabäer Gebiet zugänglich machen würde.“[6]
[1] Dostal 1990.
[2] Dostal 1990:107
[3] Rohrbacher 2006:103.
[4] Sabäische Inschrift: „Seele und Grab des Hussein ben Abdallah, des Forschungsreisenden aus Prag. Es möge ihm schenken, der Herr des Himmels Wohlgefallen seines Herzens und Glück seiner Rechten“ Rohrbacher 2006:113
[5] Janata 1989:29.
[6] Aus einem Gespräche mit seinem Bekannten Dr. Rosenfeld.
Vom 31. August bis 2. September 2016 findet in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Kongreß über das antike Südarabien statt.
Ich habe die Ehre dort einen Vortrag über den österreichischen Orientalist Eduard Glaser halten zu dürfen.
Details und Programm des Kongresses finden Sie hier!
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